Freie Lehre und Wissenschaft sind Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Dazu gehört, dass wissenschaftliche und politische Auseinandersetzungen in einem Rahmen stattfinden, der verschiedene Meinungen zulässt. Feststeht aber auch: Wir haben es bei Bernd Lucke einerseits mit einem Professor der Universität Hamburg zu tun, der natürlich seine Lehre ausüben können muss, aber andererseits auch mit einer Person zu tun, gegen die man durchaus auch demonstrieren kann.

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Dr. Sven Tode zu den Protesten in der Vorlesung von Bernd Lucke (23. Oktober 2019)

„Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, freie Lehre und Wissenschaft sind Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wie wir wissen, wenn wir uns in der Welt umschauen. Und wir als Sozialdemokraten wissen das ganz besonders und haben dafür immer gekämpft und werden das auch weiterhin tun. Gleich in der ersten und einzigen Pressemitteilung, die wir herausgegeben haben, haben wir immer betont, dass freie Lehre überall möglich sein muss. Der Diskurs an Universitäten ist möglich, muss möglich sein und ist auch das Wesen von Universität. Universitäten sind Orte der Wissenschaft, der diskursiven Auseinandersetzung. Kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen müssen ausgehalten werden, insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Allerdings würde ich auch jedem raten, dass man konkrete historische Vergleiche erst dann anstellen sollte, wenn man singuläre Ereignisse nicht unbedingt verallgemeinern kann. Und das gilt insbesondere für die Shoah!

Universitäten, meine Damen und Herren, sind Orte des Diskurses, auch des politischen, und Demonstrationen sind ein Teil davon. Es ist für eine wehrhafte und gute Demokratie sehr sinnvoll und richtig und wichtig, dass es Demonstrationen gibt, dass diese ihre politischen Äußerungen ausdrücken können. Und ganz ehrlich, das ist auch in diesem Fall aus meiner Sicht sehr richtig und wichtig gewesen. Wir haben es mit Bernd Lucke einerseits mit einem Professor der Universität Hamburg zu tun, der natürlich dort seine Lehre ausüben können muss, aber andererseits ganz ehrlich – und das haben wir jetzt mit verschiedenen Zitaten gehört – auch mit einer Person zu tun, gegen die man durchaus auch demonstrieren kann. Wenn Herr Lucke geflüchtete Menschen als „sozialen Bodensatz“ bezeichnet, „der lebenslang in unserem Sozialsystem verharrt“, ist das nicht nur diskriminierend, es ist nationalsozialistische Sprache und vor allen Dingen stimmt es überhaupt nicht. Wir wissen, dass gerade in Hamburg jetzt schon über fünfzig Prozent der geflüchteten Menschen in sozialversicherten Beschäftigungen sind. Was für eine große Bereicherung diese Menschen auch für unsere Stadt sein können. Da von einem „sozialen Bodenschatz“ zu sprechen, ist nicht nur falsch. Es ist populistisch und es ist diskriminierend. Wenn man gleichzeitig von einer Entartung von Demonstrationen spricht, von Staatsmedien, von Altparteien, dann fällt man in eine Sprache, die wir eigentlich nicht mehr hören wollen. Und, meine Damen und Herren, wir haben eine wehrhafte Demokratie, und, meine Damen und Herren, und ich glaube, die größte Wehrhaftigkeit dieser Demokratie zeigt sich in unserer Freiheit. Denn unsere Freiheit ist der größte Schutz dafür, dass wir diese Freiheit auch behalten. Und der Meinungsaustausch ist genau dieser Schutz für diese Freiheit; und auch schwierige Themen werden wir aushalten, wir werden diesen Diskurs führen, wir werden in Hochschulen diesen Raum haben für wissenschaftlichen Diskurs. Und, meine Damen und Herren, Polizei im Hörsaal sollte ganz sicher die Ausnahme sein, und wir sollten die Möglichkeit haben, diesen Diskurs fortzuführen – und das gilt für alle, die sich auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegen.“

Dr. Sven Tode