„Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Hauptgebäude der Universität steht der Leitsatz: Der Forschung, der Lehre, der Bildung. Er formuliert ein Bildungsideal. Der Bildungsauftrag der Hochschulen umfasst offenbar mehr als Forschung und Lehre. Bildung ist mehr als bloß die Summe dieser beiden – Forschung und Lehre –, die auch heute noch oft selbstverständlich als erschöpfende Aufgabe der Hochschulen genannt werden. Wenn Bildung also hier explizit als Drittes dargestellt wird, dann heißt das, dass Bildung mehr ist als nur die Schaffung und Vermittlung von kognitivem Wissen, nämlich umfassende humanistische und demokratische Bildung von Menschen, Kultur und Gesellschaft. Ob dies in der Umsetzung des Bologna-Prozesses immer gelingt, kann sicherlich kritisch hinterfragt werden. Dennoch ist es dieses demokratische Bildungsideal, das wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Deutschland erstmals in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts gegen die bürgerlich konservativen Eliten durchgesetzt haben und das dann in den Sechziger und Siebzigerjahren wieder die große Leitidee unserer Bildungsreform war, an das wir heute anknüpfen, indem wir Hamburgs Hochschulen gegenreine Ökonomisierungsvorstellungen verteidigen und die demokratische Grundidee der Hochschulen wieder zur Geltung bringen, wie wir es übrigens schon mit unserer ersten großen Reform in dieser Legislaturperiode getan haben, nämlich der Abschaffung der sozial ausgrenzenden Studiengebühren. Meine Damen und Herren! Eine Autonomie staatlicher Bildungseinrichtungen von behördlicher Detailsteuerung macht nur dann Sinn, wenn diese autonomen Hochschulen zugleich intern in hohem Maße demokratisch verfasst sind. Deswegen setzen wir unsere Reform so an, dass wir einerseits das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, die Hochschulräte also nicht gänzlich abschaffen, andererseits aber die Einbeziehung externen Sachverstands wieder in ein ausgeglichenes Verhältnissetzen zur internen Demokratisierung der Hochschulen und zur Beteiligung der Hochschulangehörigen. Wir stärken zum Beispiel in erheblichem Maß die Stellung der Hochschulsenate. Wir verschränken die Verantwortlichkeit von Hochschulsenat und Hochschulrat bei zentralen Angelegenheiten bei gleichzeitig klarer Aufteilung der Kompetenzen. Wir erhalten die Präsidien als kollektive Leitungsorgane bei gleichzeitiger Stärkung der Richtlinienkompetenz der Präsidentinnen und Präsidenten. Wir schaffen wieder die Möglichkeit der Einrichtung einer dritten Ebene der demokratischen Steuerung und Beteiligung, also von Instituten und Fachbereichen. Und, Herr Kleibauer, ich halte das schon für ein interessantes Rechtsverständnis, wenn Sie formulieren, dass das bisher auch nicht geregelt sei und doch funktioniert hätte. Dann können wir auch bei anderen Problemen sagen, es funktioniert doch, also müssen wir es nicht regeln. […] Das ist interessant, aber vor allem zeigt es doch, Herr Wersich, dass man offensichtlich diese dritte Ebene braucht, denn die gibt es, und warum soll man diese Möglichkeit nicht ins Gesetz schreiben? Wir stärken die Verantwortlichkeit der Kanzlerinnen und Kanzler in den Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten der Hochschulen, wobei wir sicherlich die Wirkung dieser neuen Kompetenzverteilung in den kommenden Jahren sorgfältig überprüfen müssen. Bemerkenswert ist, dass nun wieder fast die gesamte Opposition beklagt, dass die Autonomie der Hochschulen noch nicht weit genug ginge und der demokratische Staat in Form von Bürgerschaft, Senat und Wissenschaftsbehörde noch immer viel zu viel zu sagen und zu kontrollieren hätte. Dazu kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, anders als Sie verstehen wir Autonomie nicht als Freiheit von demokratischer Steuerung, und zwar weder von innen noch von außen. Die Hochschulen, zumal die staatlichen, sollten sich weitgehend autonom selbst organisieren, aber der Rahmen, in dem sie das tun, ist ein demokratisch legitimierter, ein politischer Rahmen, und dieser sollweiterhin eher gestärkt als durch das Ganze zurückgeführt werden. Herr Schinnenburg, Sie habengesagt, gebt den Hochschulen mehr Autonomie, aber bei dieser Forderung müssten Sie doch für die Abschaffung der Hochschulräte sein. Meine Damen und Herren! Das Wichtigste ist– und das haben Sie alle ein bisschen vernachlässigt, die Senatorin und Herr Kühn haben darauf hingewiesen –, dass wir die Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven junger Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen verbessern. Wir haben zwei wichtige Schritte gemacht. Zum einen haben wir aus Hamburg die Forderung an die Bundesebene gerichtet, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu reformieren. Dies ist so weit gegangen, dass es mittlerweile Teil des Koalitionsvertrags ist, und insofern hoffen wir, dass es hier zu einer Veränderung kommt. Zum anderen haben wir im Frühjahr mit dem „Code of Conduct“ zwischen Senat, Hochschulen und Gewerkschaften erreicht, dass in Hamburg die prekären Arbeitsverhältnisse konkret verbessert werden; die Senatorin hat dezidiert darauf hingewiesen. Und drittens schreiben wir diese Ziele auch als konkrete Vorgaben im Hochschulgesetz fest; das ist einzigartig in der Bundesrepublik. Es ist nämlich jetzt festgeschrieben, dass Promotionsstellen nun mindestens drei Jahre umfassen anstatt bisher höchstens drei Jahre. Sie müssen nun mindestens den Umfang einer halben Stelle haben, was bisher keinesfalls selbstverständlich war, und davon ist mindestens ein Drittel der Zeit für die eigene wissenschaftliche Freiheit und Arbeit freizuhalten. Wenn Sie wissen, wie die Universitäten funktionieren, dann wissen Sie, wie wichtig es für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist, dass sie selbst darauf verweisen können, im Gesetz stehe, dass sie ein Recht auf eigene Forschung während ihrer Zeit bei der Promotion haben. Und die Weiterbeschäftigung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Promotion wird nunmehr obligatorisch. Diese neuen gesetzlichen Regelungen, die wir heute durchsetzen, stellen zusammen mit dennschon vorher erreichten Maßnahmen einen sehr großen Fortschritt für die Beschäftigungsbedingungen dar, für mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit von Berufsperspektiven und sind damit auch ein großer Fortschritt für mehr wissenschaftliche Qualität und Innovationsfähigkeit. Dazu gehört auch der dringende Appell unseres Zusatzantrags an die Kultusministerkonferenz, die bundesweite Mobilität für Lehramtsstudien zu sichern. Wir haben heute zehn Jahre Bologna-Prozess, und man kann diesen sicherlich auch kritisch bewerten. Das Zieleuropaweiter Bildungsmobilität ist und bleibt aber wünschenswert. Vor diesem Hintergrund erscheint es absurd, dass Lehramtsstudierende nicht von Flensburg nach Hamburg oder von Hamburg nach Hannover wechseln können. Da richtet die SPD-Fraktion den dringenden Appell, hier Lösungen zu schaffen, und wir haben mit unserem Zusatzantrag eine weitere Lösungsmöglichkeit aufgezeigt. – Ich danke Ihnen.“

Dr. Sven Tode

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